Rückblick auf die Gemeinderatssitzung vom 18. Januar 2023
Nachdem eine vom Gemeinderat beauftragte Spezialkommission in vielen Sitzungen und mit viel Einsatz ein Informationsreglement erarbeitet hatte, kam dieses in der Januarsitzung nicht mal bis zur inhaltlichen Diskussion. Die bürgerliche Ratsseite schaffte es tatsächlich, dass nicht mal auf das Geschäft eingetreten wurde.
Nach sieben Monaten im Gemeinderat habe ich mich schon an einiges gewöhnt: Lange und sehr lange Fraktions-, Kommissions- und Gemeinderatssitzungen, Namensaufruf-Runden, das Abstimmen durch Aufstehen und sogar an «lachsfarbene Papiere» (das sind Kommissionsanträge, aber warum genau sind sie «lachsfarben», warum nicht einfach gelb, blau, grün oder rot?). Noch nicht gewöhnt habe ich mich an den Frust, schon wieder von der bürgerlichen Seite ganz knapp überstimmt zu werden, vor allem dann, wenn man den Eindruck nicht los wird, dass es eben dieser Seite – zumindest zu Teilen – momentan vor Allem um Wahlkampf geht.
Von Teufeln an der Wand und mündigen Bürger:innen
Worum ging es also in dieser ersten Sitzung im neuen Jahr? Traktandiert als erstes Geschäft war das von einer Spezialkommission (mit unserem Vertreter Ralf Frei) erarbeitete Informationsreglement. Die Idee dahinter war es, das neue Öffentlichkeitsgesetz des Kantons nun auch auf unserer kommunalen Ebene umzusetzen. Der Stadtrat hätte mit dem neuen Reglement Leitplanken erhalten, welche Entscheide, Unterlagen und Berichte aktiv zu veröffentlichen oder wie und wann Vernehmlassungen durchzuführen wären. Das Reglement selbst war ebenfalls in eine Vernehmlassung gegeben worden, an der auch wir uns beteiligt haben. Unsere Anliegen, bspw. nach einer Straffung, wurden dabei mehrheitlich aufgenommen und unsere Fraktion schätzte die Vorlage nun in der neuen Version als mehrheitsfähig ein.
Hätte, wäre, sollte – so war es offensichtlich nicht. Die bürgerliche Seite – und mit ihr mehrstimmig der Stadtrat – setzte sich bereits in der Eintretensdebatte dafür ein, das Geschäft direkt zu beerdigen, und hat sich somit der inhaltlichen Diskussion rundweg verweigert. Man hätte auch in der materiellen Diskussion Anträge stellen können, wir wären dafür offen gewesen. Die Fraktionen Mitte/EVP und FDP zogen es aber vor, in ihren Voten pauschal gegen die Vorlage zu schiessen, indem man den sprichwörtlichen Teufel an die Wand malte und Angstszenarien entwarf von Kosten von Hunderttausenden von Franken und frustriert kündigenden Verwaltungsmitarbeitenden. Man solle Vertrauen haben in den Stadtrat und Eigenverantwortung wahrnehmen. Die SVP-Fraktion war übrigens geteilter Meinung, eine Mehrheit folgte jedoch den aufgebauten Drohkulissen ihrer bürgerlichen Ratsnachbarn.
Unsere Ratsseite versuchte dagegen zu halten mit engagierten und fundierten Voten des Präsidenten der Spezialkommission Gemeinderat Roland Wetli (CH) und unserem Spezialkommissionsmitglied Ralf Frei. Es wurde hingewiesen auf die mögliche Vorreiterrolle, die Frauenfeld hier hätte übernehmen können, aber auch auf die angestrebte Transparenz, die notwendige Kontrolle staatlichen Handelns und dass die Bevölkerung nachvollziehen können sollte, warum und wie Entscheide in der Exekutive gefällt werden – dass sie als mündige Bürger:innen wahrgenommen werden sollen, die mit diesen Informationen umgehen können. Diese Transparenz braucht es in einem demokratischen Staat, in dem man Vertrauen hat, eben auch in die Kompetenz der Bürger:innen, nicht nur in diejenige des Stadtrats. Das wäre ein Paradigmenwechsel, ja, aber eben auch genau das, was wir möchten für Frauenfeld.
Viel Lob, aber wenig Respekt
Es kam anders. Die bürgerliche Seite hat dies mit einer äusserst knappen Mehrheit (19:18 bei einer Enthaltung) verhindert. Dass dies vor einer inhaltlichen Diskussion erfolgte, was in diesem Rat sehr unüblich ist, hat auf unserer Seite neben Frust auch grossen Ärger ausgelöst. Man kann doch sagen, dass es – gerade auch der Spezialkommission gegenüber – respektlos ist, ein Geschäft nicht mal zu diskutieren. Da nützt es auch nichts, wenn man sich zu Beginn der Voten höflich bei der Kommission für die Arbeit bedankt. Der Stadtrat war mit dem Resultat sichtlich zufrieden und kann nun, um mit Ralf Freis Worten zu sprechen, weiterhin ganz viele Fotos des Badi-Baufortschritts veröffentlichen und andere, gewichtige Informationen nach eigenem Gutdünken unter Verschluss behalten.
Motion «Frauenfeld heizt ohne Erdgas»
Das zweite Geschäft des Abends war die stadträtliche Beantwortung obengenannter Motion, in der vier Motionär:innen der Fraktionen CH/GP/GLP und SP, darunter unser Pascal Frey, den Stadtrat aufgefordert haben, darzulegen, wie Frauenfeld den Erdgasverbrauch bis Ende 2030 auf 50% senken und so den Umstieg auf erneuerbare Energien beschleunigen könnte.
Der stadträtliche Bericht hat hier einiges aufgezeigt, was bereits läuft und was geplant ist – zum Teil zur Überraschung des Gemeinderats (hier nochmals ein Verweis zum Informationsreglement: zumindest Teile der Motion wären gar nicht nötig gewesen, wenn die Informationen dazu zugänglich gewesen wären).
Die Meinungen der Fraktionen zum Bericht waren entlang des üblichen Grabens geteilt: Während sich die bürgerliche Seite äusserst zufrieden zeigte mit der stadträtlichen Planung in Richtung Umstieg auf erneuerbare Energien, hat Pascal Frey im Namen unserer Fraktion votiert, dass es schneller und entschlossener gehen müsse und man nicht mehr zaudern und zögern dürfe. Michael Pöll (im Namen von CH/GP/GLP) sprach gar von Ambitionslosigkeit und Schönfärberei. Die Stadträte Hugentobler und Elliker wollten dies nicht auf sich sitzen lassen und begegneten dem unter anderem mit detaillierten Ausführungen zu Soja-Trocknung. Ein Schelm, wer da an hinlänglich bekannte Bündnerfleisch-Exkurse denkt…
Die Motion wurde mit einer deutlichen Mehrheit als nicht erheblich beurteilt. Auch von uns, da mit der Beantwortung des Stadtrats unsere Fragen soweit geklärt waren und wir keinen Mehrwert in einem weiteren Bericht sahen.
Zum Schluss: Viele Vorstösse und das Prinzip Hoffnung
Am gleichen Abend wurden im Übrigen mehrere gemeinderätliche Vorstösse eingereicht. Entweder waren also diverse Ratsmitglieder in den Weihnachtsferien unterbeschäftigt – oder es herrscht Wahlkampf. Zugegebenerweise waren auch wir Teil dieser Vorstoss-Flut: Ralf Frei hat eine Motion zur Einschränkung von Feuerwerk eingereicht und ich selbst eine Einfache Anfrage zu Lücken in der schulergänzenden Kinderbetreuung.
Die Themen der beiden gestern diskutierten Vorlagen zeigen beide: Fortschritt in der Frauenfelder Politik wäre möglich, es braucht dafür aber andere Mehrheitsverhältnisse. Wir hoffen auf einen rotgrünen Frühling, der sowohl im Stadt-, als auch im Gemeinderat eine progressive, zukunftsgerichtete Politik ermöglicht – und damit auch weniger Frust für unsere Seite.
Susanne Weibel Hugentobler, Gemeinderätin