Rückblick auf die Gemeinderatssitzung vom 30. Oktober 2024
Meine letzte Sitzung als Gemeinderätin war sehr erfreulich, haben wir doch endlich wieder mal eine Mehrheit für eine Vorlage erreicht. Deren Inhalt lag uns denn auch wirklich am Herzen.
Worum ging es?
Nachdem wir einige Ersatzwahlen in Kommissionen hinter uns gebracht hatten, die wegen der aktuell gerade zahlreichen Rücktritte aus dem Gemeinderat nötig geworden waren und damit auch die üblichen Namensversprecher unseres Gemeinderatspräsidenten hinter uns lagen (ich zum Beispiel hiess plötzlich Widmer Tobler ), schritten wir zum Hauptgeschäft dieses herbstlichen Abends. Es ging um die von Roland Wetli (CH), Priska Brenner-Braun (GP), Stefan Leuthold (GLP), Christoph Regli (Mitte) und mir eingereichte Motion zur «Senkung der finanziellen Hürden bei der Einbürgerung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen». Wir ersuchten darin, dass der Stadtrat dem Gemeinderat eine Vorlage unterbreitet, mit der die Einbürgerungsgebühren auf kommunaler Ebene für Einbürgerungswillige bis zum 20. Altersjahr gesenkt oder allenfalls sogar gestrichen und für Menschen zwischen dem 20. und dem 25. Altersjahr reduziert werden sollten. Hintergrund der Motion war unsere Feststellung in einer gemeinsamen Rechnungssitzung von CH/Grüne/GLP und SP, dass die Einbürgerungszahlen in den letzten Jahren in Frauenfeld markant sanken. Insgesamt 22 Unterzeichnende der Motion machten uns Hoffnung, dass wir eine Mehrheit dafür hinbekommen könnten.
Fokus auf den Finanzen
Der Stadtrat zeigte in seiner Beantwortung zwar Sympathien für das «durchaus berechtigte Anliegen» der Motionärinnen und Motionäre und erwähnte auch eine Studie, die gezeigt hatte, dass mit der Einbürgerung eine vertiefte Integration einhergeht. Trotzdem fokussierte er in seinen weiteren Ausführungen sehr einseitig auf die allfälligen Mindereinnahmen der Stadt, die er auf knapp 12’000.- schätzte (obwohl er weiter oben erwähnte, dass er nicht mit einem grossen Anstieg der Anzahl Gesuche rechnet – für die Berechnung wurde dann aber doch eine Verdoppelung zu Grunde gelegt).
Die andere Perspektive
Zuerst ergriff Roland Wetli das Wort im Namen der Motionärinnen und Motionäre. Er zeigte sich enttäuscht ob der stadträtlichen Antwort und deren Einseitigkeit und machte zuerst anhand einiger Zahlen sehr deutlich, dass wir in Frauenfeld ein Problem im Einbürgerungswesen haben. Insgesamt macht nur ungefähr jede/r Hundertste mit einer Niederlassung C von der Möglichkeit einer Einbürgerung Gebrauch. Auch bei den jungen Menschen mit Niederlassung C ist diese Quote mit, je nach Alterskategorie, 2-3 % kaum höher. Diese Quote ist zwar auch in anderen Thurgauer Städten tief, aber in vergleichbaren ausserkantonalen Städten um einiges höher (z.B. Wil). Auch wenn die Gründe hierfür sicher auch in den harten Bedingungen im Kanton Thurgau zu finden seien und der Spielraum in diesem Gebiet auf Gemeindeebene beschränkt sei, sei dies kein Grund, die Hände in den Schoss zu legen.
Problematische Formulierungen, Argumente und mehr
Dem pflichtete ich im Namen unserer Fraktion deutlich bei. Auch wir waren enttäuscht von dieser Antwort. Neben Mängeln und Widersprüchen in der Antwort, kommen wir mit den angeführten Argumenten auch einfach zu einem anderen Schluss. Wir sehen natürlich auch die anderen Faktoren, die zum Entscheid für oder gegen ein Einbürgerungsverfahren beitragen, sind aber gleichwohl der Meinung, dass gerade für junge Menschen in Ausbildung und ohne oder mit kleinem Einkommen solch hohe Gebühren durchaus eine abschreckende, je nach Situation auch ausschlaggebende Wirkung haben können. Auch wenn der Stadtrat in seiner Antwort schrieb, dass die Gebühren mit anderen Thurgauer Städten vergleichbar seien, wird bei genauerem Hinschauen klar, dass wir hier in fast allen Kategorien am oberen Rand liegen, zum Teil mit mehreren Hundert Franken Unterschied. Ein weiteres Argument des Stadtrates gegen eine Senkung, nämlich dass die Gebühren laut Reglement kostendeckend sein müssen (laut übergeordnetem Recht aber «maximal kostendeckend sein dürfen»), versuchte ich zu entkräften, in dem ich darauf verwies, dass die in der Motion angesprochenen Alterskategorien in aller Regel wenig administrativen Aufwand verursachen werden. Sie sind hier zur Schule gegangen oder gehen noch zur Schule, verstehen daher die Anforderungen, können die nötigen Papiere einfach beschaffen und müssen durch den hier erfolgten Schulbesuch auch keine Sprachnachweise oder ähnliches beisteuern. Ob in solchen Fällen mit den hohen Gebühren (ab 18: 1550.- nur für diese kommunale Ebene) wirklich effektive Kosten verrechnet werden oder hier nicht sogar unerlaubt zu viel sei in Frage gestellt. Da in der stadträtlichen Antwort jedoch eine Analyse des aktuellen Kostendeckungsgrades fehlt, konnten wir hier nur Annahmen treffen. Ebenso sauer stiess uns und auch anderen Redenden auf, dass der Stadtrat schrieb, dass die Rechte mit einer Niederlassung C ja beinahe dieselben seien, ausser dem aktiven und passiven Stimm- und Wahlrecht. Wir finden eine solche Formulierung bedenklich, auch wenn der Stadtpräsident anschliessend bestritt, damit eine Geringschätzung des Stimm- und Wahlrechts zum Ausdruck gebracht zu haben. Dann sollte man halt unserer Meinung nach anders formulieren. Und die weiteren fehlenden Rechte, wie bspw. die Einschränkungen in der Reisefreiheit, wurden mit dieser Formulierung unter den Tisch gewischt.
Für unsere Fraktion zählt neben den bereits erwähnten Argumenten auch das Signal an die Bevölkerung: Ein positives, einladendes Signal an die jungen Menschen, welche mit einem Einbürgerungsgesuch zeigen, dass sie sich hier integrieren, mitbestimmen, mitwirken möchten. Deshalb wünschen wir uns eine Senkung der Gebühren auf eine Höhe, die auch während der Ausbildungsjahre realistisch gestemmt werden kann.
Weitere Wortmeldungen und doch noch Unterstützung für den Stadtrat
Für eine Mehrheit der Mitte/EVP-Fraktion sprach Mit-Motionär Christoph Regli. Auch er kritisierte den einseitigen Fokus auf die Kosten und die Widersprüche in der Antwort und stellte fest, dass unsere Gemeinde in der Mehrheit der Kategorien die höchsten Gebühren verlange. Seine Fraktion finde, dass es angebracht wäre, bei den Kosten zu differenzieren nach Alter, gerne in drei Altersstufen und stelle wie wir in Frage, ob das Kostendeckungsprinzip hier wirklich eingehalten werde. Für einen gänzlichen Erlass wären sie seiner Aussage nach nicht zu haben, aber für eine Senkung für die Jungen mehrheitlich schon.
Nun kamen die Gegenstimmen zu Wort: Lisa Badertscher sprach für die SVP/EDU-Fraktion. Wie erwartet hatte diese Fraktion kein Gehör für dieses Anliegen. Im Sinne von: «Was nichts kostet, ist nichts wert», gelte es den Wert unserer Staatsbürgerschaft hochzuhalten, dafür soll man auch etwas bezahlen. Der «demokratische Antrieb» sollte dann ausreichen, nicht finanzielle Anreize. Ebenfalls im Sinne des Stadtrats argumentierte Fatmir Sanakosi für die Fraktion FDP: Er lobte die Antwort des Stadtrats, da brauche er gar nichts anzufügen. Er wolle aber noch einige persönliche Gedanken anbringen, als einer der Wenigen im Rat, der selbst das Einbürgerungsverfahren durchlaufen habe. Man habe hier ein so gut funktionierendes System und geniesse hier so viele Vorzüge, da stünden auch viel Werte dahinter. Und diese Werte dürften auch etwas kosten.
Abschliessende Voten und ein positives Resultat
Nach weiteren Voten von Klaudia Peyer (für CH/Grüne/GLP) und Priska Brenner Braun (in eigenem Namen), die wiederum ganz in unserem Sinn auf weitere Punkte aufmerksam machten, welche der Stadtrat in seiner Antwort nicht erwähnte, hatte der Stadtpräsident dann das letzte Wort. Er stellte seinem Votum voran, dass, wer jetzt gut rechne, schon bereits wisse, wie die Sache ausgehe (er hatte damit zum Glück Recht). Er wolle aber die doch deutlich kritisierte Antwort des Stadtrats verteidigen. Es sei ja in der Motion nur um die Kosten gegangen, deshalb habe man darauf fokussiert. Und der Kostendeckungsgrad sei in der Regel nicht erreicht (Anmerkung der Schreibenden: Das konnte er aber nicht für die jungen Alterskategorien berechnen, da hierfür die Zahlen fehlen). Da man insgesamt kostendeckend sein müsse – das gebe unser Einbürgerungsreglement so vor – werde man dann halt bei den Älteren mit den Gebühren hinaufgehen müssen. Dieser Punkt wurde dann später von Roland Wetli nochmals aufgenommen, der sich damit juristisch gar nicht einverstanden zeigte. Diese Diskussion wird offensichtlich noch weitergeführt werden. Im Weiteren machte Stadtpräsident Stokholm geltend, dass viele andere Gründe ausschlaggebend seien, dass so viele Menschen kein Einbürgerungsgesuch stellen und nicht die Gebühren.
Eine Mehrheit des Rates war anderer Meinung oder möchte zumindest den Versuch wagen. Mit 21:16 Stimmen wurde die Motion für erheblich erklärt. Der Stadtrat muss nun einen konkreten Vorschlag für die Senkung der Gebühren für die Jungen ausarbeiten. Hoffen wir auf einen überzeugenden, wiederum mehrheitsfähigen Vorschlag.
Steuerfuss und Abschied
Als letztes Traktandum des Abends ging es um eine Formalität: Da der vom Stadtrat beantragte, erhöhte Steuerfuss in der Volksabstimmung durchgefallen war, gab es juristisch keinen gültigen Steuerfuss für das Jahr 2024. Der Stadtrat legte nun deshalb dem Gemeinderat den bisher geltenden Steuerfuss zur Abstimmung vor. Wir hatten intern bereits diskutiert, ob es Sinn macht, gegen diesen Steuerfuss zu stimmen, da das Budget 2024 auf einer anderen Annahme beruhte und so eigentlich nicht mit dem Steuerfuss übereinstimme, oder ob die Abstimmung nur noch reine Formalität sei. Wir wurden uns nicht einig und bei unseren Stimmen war in der Schlussabstimmung von Zustimmung über Enthaltung bis Ablehnung alles dabei. Der Steuerfuss wurde insgesamt überdeutlich bestätigt. Wir sind bereits jetzt gespannt auf die zukünftigen Diskussionen zu Steuerfuss und Budget in den kommenden Jahren.
Im Anschluss an die Sitzung war der Gemeinderat von Stadträtin Andrea Hofmann Kolb eingeladen, Aktuelles zur Stadtkaserne vor Ort zu erfahren. Und zu wirklich guter Letzt durfte ich mit meinen Fraktionsgspänli ein Abschiedsabendessen geniessen. Schön war’s wie immer mit dieser wunderbaren Truppe. Nun wird meine Nachfolgerin, Laure Brem, die Fraktion weiter bereichern und sicher bald von sich hören lassen.
Bis bald wieder mal an anderer Stelle,
Susanne Weibel Hugentobler